Schriftliche Frage von Frau Mechtilde Neuens an Ministerin Klinkenberg
Zu akuten Kurzaufenthalten in den WPZS
Einreichungsdatum: 13. November 2024
Sehr geehrte Frau Ministerin,
in der Regierungskontrolle vom 9. Oktober 2024 habe ich in der mündlichen Frage Nr. 35 eine Frage zu akuten Kurzaufenthalten in den Wohn- und Pflegezentren (WPZS) gestellt.
Auf die von mir formulierten Fragen, ob und wann spezifische Kurzzeitpflegeplätze für akute Fälle vorgesehen und finanziert werden könnten und welche Übergangslösung die Regierung in Betracht zieht, haben Sie das Problem zwar beschrieben, aber keine wirkliche Lösung aufgezeigt.
Nachdem Ihre Antwort in schriftlicher Form veröffentlicht wurde, habe ich diese erneut analysiert und mit Betroffenen vom Terrain besprochen.
In Ihrer Antwort haben sie zunächst die Definition des Angebots aus dem Dekret sinngemäß wiedergegeben.
Daraufhin haben Sie die Frage aufgeworfen, was „akut“ bedeuten könnte um später einzuräumen, dass es wenig Möglichkeiten für „akute Notfälle“ gibt.
Ich habe zahlreiche Gespräche mit Mitarbeitern von WPZS und betroffenen Familien geführt und mir Gedanken darüber gemacht, wie eine Definition lauten könnte, um eine Abgrenzung von den aktuellen Kurzzeitpflegeplätzen zu schaffen.
Aus den Schilderungen habe ich drei Kategorien von Bedarf an Kurzzeitpflege identifiziert. Ich bin mir sicher, dass Ihre Verwaltung durchaus noch weitere nennen könnte.
Folgende Kategorien möchte ich an dieser Stelle ohne Anspruch auf Vollständigkeit erwähnen:
- Der Betroffene oder ein Angehöriger hat plötzlich einen Unfall oder muss dringend operiert werden;
- Ein anderer Fall von höherer Gewalt tritt ein. Zum Beispiel ein Sterbefall, ein Hausbrand oder eine Naturkatastrophe usw;
- Eine geplante Operation/Behandlung des Betroffenen oder eines Angehörigen steht an oder die der pflegende Angehörige braucht eine gewisse Entlastung/Auszeit usw.
Die Kategorien 1 und 2 sind meiner Meinung nach „akut“ im Sinne eines Notfalls. Die Kategorie 3 ist hingegen eine bis zu einem bestimmten Punkt planbare Angelegenheit.
Sicherlich könnte man im Dekret und Erlass detaillierte Kriterien für „Akutfälle“ definieren.
Neben der Frage der richtigen Definition sind Sie der Meinung, dass sich das Freihalten von Plätzen in der Realität nicht bewährt hat, weil dies für WPZS zu erheblichen Kosten und unzureichender Planungssicherheit führt.
In der Tat werden aktuell in den WPZS nur die belegten Plätze finanziert. Wird ein Platz nicht belegt, dann entfällt die Tagespauschale der DG. Das Wohn- und Pflegezentrum muss die Kosten für den Leerstand selbst tragen.
Diese Regelung motiviert die WPZS die leeren Plätze so schnell wie möglich zu belegen, um die Personal- und Funktionskosten decken zu können.
Das kann ich in diesem Fall nachvollziehen.
Es obliegt allerdings der Deutschsprachigen Gemeinschaft, also der Regierung und dem Parlament, diese Regelung im Sinne der Aufnahme einer neuen Finanzierungslogik für „akute Kurzzeitpflegeplätze“ abzuändern.
Künftig könnte zwischen der allgemeinen Finanzierung von Plätzen für die erhöhte und geringe Unterstützungskategorie sowie die Kurzzeitpflege auf der einen Seite und der spezifischen Finanzierung von „akuten Kurzaufenthalten“ auf der anderen Seite unterschieden werden.
Über die Zahl dieser Plätze könnte die DG im Rahmen der Planungsgenehmigung verfügen. Wie beim Bürgerdialog zum Thema Pflege erläutert, müssen die WPZS die Inbetriebnahme neuer Plätze beantragen.
Sollte die Regierung keine Finanzmittel für den Ausbau von dringend notwendigen Plätzen – ob in der Kurzzeitpflege oder in der Langzeitpflege – verfügen, dann könnte die Regierung notfalls einen Teil der aktuellen Kurzzeitpflegeplätze umwidmen.
Für die „akuten Kurzaufenthalte“ könnte man eine „Vorhaltevergütung“ in Höhe der Personalkosten auszahlen.
Für die Regierung wären das keine Mehrkosten, da der Betrieb der aktuellen Anzahl Plätze ohnehin im Haushalt eingepreist ist.
Die WPZS würden also in diesem Ausnahmefall für das Vorhalten von Leistungen finanziert werden.
In den WPZS würde das für mehr Planungssicherheit sorgen.
Ich würde trotzdem davon abraten, bestehende Plätze umzuwidmen, da der aktuelle Bedarf an Begleitung und Pflege weiter steigt. Ich gehe davon aus, dass trotz der angekündigten Sparmaßnahmen und die bereits bekannte Zahl an Plätzen, die aktuell oder demnächst gebaut werden, die Regierung die notwendigen Ressourcen vorgesehen hat, um den Bedarf an neuen Plätzen abzudecken.
In Ihrer Antwort auf meine mündliche Frage sind Sie der Meinung, dass selbst wenn Plätze für den akuten Notfall freigehalten würden, es nicht immer absehbar wäre, in welcher Frequenz diese Plätze tatsächlich frei werden.
Ich teile diese Meinung, aber das ist bereits heute der Fall bei den Kurzzeitpflegeplätzen. Wenn man mit dieser Begründung die Einrichtung von „akuten Kurzzeitpflegeplätzen“ ablehnen möchte, müsste man dann nicht wegen dieser Begründung die aktuellen Kurzzeitpflegeplätze abschaffen oder zumindest reformieren, um dem Bedarf gerecht zu werden?
Wir richten Systeme und Prozeduren ein, weil es den Menschen dient. Es geht nicht darum, dass die Menschen dem System oder der Prozedur dienen. Die Bedarfsabdeckung der älter werdenden Bevölkerung und ihrer Familien ist der Grund, wieso WPZS mit Steuergeld und Sozialabgaben vom Staat finanziert und Sozialminister vom Parlament gewählt werden.
Zum Ende Ihrer Antwort halten Sie, ich zitiere, „eine Aufstockung der Zimmer für Akutkurzaufenthalte in den WPZS für denkbar.“
Diese Einschätzung teile ich und würde Sie bitten, zu präzisieren, welche Schritte die Regierung unternehmen wird, um den Bedarf an akuter Kurzzeitpflege zu beantworten.
Sie geben an, dass dies durchaus außerhalb der WPZS stattfinden könnte. Als Beispiel führen Sie die häusliche Hilfe an. Es erscheint mir sicherlich wichtig, dass sich die Dienstleister in Ostbelgien als Netzwerk verstehen oder als Wohnhilfezone, wie das von der DG öfters beschrieben wird. Aber ich stelle mir die Frage, wie effizient und realistisch es ist, wenn die häusliche Hilfe, die aktuell über keine Infrastruktur verfügt, um Kurzzeitpflege anzubieten in der Lage sein sollte, ein derartiges Angebot kostendeckend zu betreiben. Die häusliche Hilfe kann punktuell am Tag Dienstleistungen anbieten, aber hat bisher keine „Rund um die Uhr-Betreuung“ angeboten.
Dass die Krankenhäuser, die Sie ebenfalls erwähnten, ein derartiges Angebot aufbauen, ist bei entsprechender Finanzierung sicherlich für einige Fälle denkbar. Allerdings stellt sich die Frage nach der Höhe der Finanzierung. Krankenhausdienste werden vom Föderalstaat und von Experten als zu kostenintensiv beschrieben. Dort versucht man die Liegetage zu reduzieren. Sie möchten einen Vorschlag machen, die Liegetage zu erweitern. Welche Finanzierung sehen Sie hierfür in Ihrem Haushalt vor?
Ich stelle mir außerdem die Frage, ob ein Krankenhaus nicht der falsche Ort wäre, um Menschen zu betreuen, die nicht selbst einen Unfall hatten, sondern betreut werden müssen, weil dem Angehörigen plötzlich etwas zugestoßen ist oder eine Betreuung in Folge eines Sterbefalls oder eines Hausbrands fällig ist? Ein akuter Kurzaufenthalt ist nicht zwangsläufig ein Pflegefall. Genauso wenig wie unsere WPZS nur für die Pflege ausgelegt sein sollten.
Angesichts der enormen Herausforderungen vor denen Betroffene und oder ihre Angehörige stehen, ist es in meinen Augen unerlässlich, zeitnah konkrete Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen.
Wir sind es den Betroffenen und ihren Angehörigen schuldig, Lösungen für ihre Probleme zu finden, anstatt sie nur zu beschreiben.
Ich erlaube mir daher eine Reihe von Fragen zu stellen, um meiner Aufgabe als Kontrollinstanz der Regierung gerecht zu werden, ganz im Sinne einer konstruktiven Zusammenarbeit von Regierung und Parlament.
Hier geht es nicht darum, Recht zu bekommen. Es geht darum, bedarfsgerechte Angebote zu schaffen, die den WPZS oder sogar anderen Dienstleistern erlauben, realistische und bezahlbare Hilfen anzubieten.
Zu den Fragen:
- In Ihrer Antwort beschreiben Sie zunächst das Problem einer fehlenden Definition und nennen Gründe, wieso ein Angebot an „Akut-Kurzzeitpflege“ schwierig umzusetzen wäre. Später sagen Sie dennoch, dass eine Aufstockung der Zimmer für derartige Situationen denkbar wäre. Können Sie bitte mitteilen, ob Sie ein entsprechendes Angebot ausarbeiten werden?
- In Bezug auf meine Vorschläge für eine Definition, wie könnte Ihrer Meinung nach eine Definition für „akute Kurzzeitpflegeplätze/Kurzaufenthalte“ lauten, um Bedarf und Zielpublikum von anderen Angeboten abzugrenzen, insofern Sie mit meinen Schilderungen nicht einverstanden sind? Oder aber einverstanden sind und darauf basierend Ergänzungen machen wollen?
- Wie viele Menschen warten aktuell auf einen Platz in einem Wohn- und Pflegezentrum?
- Wie viele Menschen warten aktuell auf eine Begleitung in der häuslichen Hilfe?
- Wie viele Menschen warten aktuell auf eine häusliche Krankenpflege – sei es bei selbstständigen Krankenpflegerinnen oder bei Vereinigungen wie Vivadom?
- Wie viele Plätze hat die Regierung in der Haushaltssimulation vorgesehen?
- Wie hoch ist der Betrag, den die Regierung pro Jahr für neue Plätze in der Haushaltssimulation vorgesehen hat?
- In welchen Haushaltsjahren sind diese zusätzlichen Plätze vorgesehen?
- Welche konkreten Pläne haben Dienste der häuslichen Hilfe, um „Akutkurzaufenthalte“ anzubieten? Wann kann man mit einer Inbetriebnahme rechnen?
- Welches Budget sieht die Regierung für diese Angebote vor? In welcher Zuweisung findet man diese Mittel?
- Welche konkreten Pläne haben die Krankenhäuser der DG, um „Akutkurzaufenthalte“ anzubieten? Wann kann man mit einer Inbetriebnahme rechnen?
- Welches Budget sieht die Regierung für diese Angebote vor? In welcher Zuweisung findet man diese Mittel?
- Insofern für die Fragen 10 und 11 keine Budgets vorgesehen sind, hat die Regierung von den Diensten der häuslichen Hilfe oder der Krankenhäuser beziffern lassen, wie hoch der finanzielle Bedarf ist und welche infrastrukturellen Voraussetzungen nötig sind?
- Wohlwissend, dass die häusliche Hilfe und die Krankenhäuser bisher keine Erfahrungswerte mit derartigen Dienstleistungen haben und Wohn- und Pflegezentren aktuell die eigentlichen spezialisierten Dienste sind, die über Knowhow und Infrastruktur verfügen (bzw. einfacher diese errichten können), welche Gründe sprechen Ihrer Meinung nach für eine aufwendige Ansiedlung dieses neuen Angebots bei der häuslichen Hilfe oder den Krankenhäusern und nicht im routinierten Umfeld von Wohn- und Pflegezentren?
- Könnten Sie sich vorstellen, ein Pilotprojekt zu finanzieren, das eine Vorhaltevergütung bei Einrichtung von Akut-Kurzzeitpflegeplätzen vorsieht? Wenn nicht, warum?