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Haushaltsdebatte 2024: Redebeitrag Kirsten Neycken-Bartholemy – 1. Diskussionsrunde

Plenum des PDG vom 09. Dezember 2024

Ein Damoklesschwert über den Haushaltsplänen der DG!

Tag 1 – Rede von Kirsten Neycken-Bartholemy, Vorsitzende der SP-Fraktion, zur Haushaltsdebatte vom 09.12.2024 – 1. Diskussionsrunde – Ausschuss 1

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Sehr geehrte Mitglieder der Regierung,
Werte Kolleginnen und Kollegen,

Die Haushaltsdebatte ist ein Höhepunkt der parlamentarischen Arbeit.
Sie stellt die finanziellen Weichen für die Gestaltung der Politik in den einzelnen Zuständigkeitsbereichen unserer Gemeinschaft.
Dies gilt ganz besonders für die erste Haushaltsdebatte der neuen Legislaturperiode.

Im September hat uns die Regierung mitgeteilt, dass sie das von der Vorgängerregierung initiierte „Regionale Entwicklungsprogramm Ostbelgien 2040“ zur Richtlinie ihres Handelns für die kommenden 5 Jahre macht.

Eigentlich hätte man erwarten können, dass gemeinsam mit dem Haushalt 2025 das erste Umsetzungsprogramm dieses Entwicklungskonzeptes vorgelegen hätte, und Finanzmittel für dessen Durchführung beschlossen würden.
Dem ist jedoch nicht so.

Noch liegt dem Parlament kein Umsetzungsprogramm vor, und von finanziellen Handlungsspielräumen zu dessen Verwirklichung fehlt jede Spur. Ganz im Gegenteil.

Im Mittelpunkt der Haushaltsberatungen stehen Sparmaßnahmen, Kürzungen und Streichungen für die laut Regierung ausschließlich der Zustand der belgischen Staatsfinanzierung und europäische Sparauflagen verantwortlich seien. Darüber kann man streiten.

Das wird allerdings nichts daran ändern, dass die DG sich in den kommenden Jahren finanziell neu aufstellen muss, dass Ausgabenkürzungen notwendig sind und dass haushaltpolitische Kreativität gefragt ist.

Das sieht die SP auch als Oppositionsfraktion so.

Aber es kommt ganz entscheidend auf das wie an!

Es müssen Prioritäten gesetzt werden und es muss gerade in finanziell schwierigen Zeiten ganz besonders darauf geachtet werden, dass die Anstrengungen sozial ausgewogen gestaltet werden, und dass der Zugang zu den Dienstleistungen der DG allen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich bleibt.

Die Regierung hat ein Sparziel formuliert, ohne die Vorgaben genau zu kennen, und ohne sicher zu sein, dass ihr Sparkonzept auf einem soliden Fundament steht.

Aufgrund der Tatsache, dass es noch keine neue Föderalregierung gibt, konnten die Einzelheiten bisher nicht verbindlich verhandelt werden.

Auf jeden Fall erscheinen die uns vom „Hohen Finanzrat“ für die DG vorgeschlagenen Sparziele überzogen.
Wenn ich die diesbezüglichen Tabellen richtig verstanden habe, sind wir die einzigen, deren Nettoprimärausgaben in den kommenden Jahren nominell gekürzt werden sollen.

Wie ich bereits bei der Besprechung mit dem Rechnungshof erwähnt habe, macht jedoch ein anderer Punkt der SP-Fraktion vor allem große Sorge.

Die Europarechtlichen Rahmenbedingungen beziehen sich auf einen Haushaltspfad, der eine Verbesserung des Nettoprimärsaldos im Vergleich zum Haushalt 2024 aufweist.

Die Regierung schlägt vor, das Defizit 2024 um mehr als 150 Millionen Euro zu erhöhen und die Ausgaben der kommenden Jahre, insbesondere bei den lokalen Behörden, bereits auf 2024 zu buchen, um somit die Sparziele in den folgenden Jahren leichter zu erreichen.

Dieser Trick setzt jedoch voraus, dass diese Vorgehensweise von den belgischen und den europäischen Behörden akzeptiert wird.

Laut EU- Verordnung vom 24.04.2024 sind einmalige und befristete Maßnahmen bei der Festlegung der Nettoprimärausgaben auszuklammern. Wenn das geschieht, bricht die Haushaltskonstruktion der Regierung wie ein Kartenhaus zusammen.

In seiner Antwort auf meine Frage hat der Rechnungshof diese Gefahr nicht ausschließen können, und eine detaillierte Untersuchung dieser Frage angekündigt.

Kolleginnen und Kollegen,

da hängt ein folgenschweres Damoklesschwert über unsere Haushaltspläne, der kommenden Jahre.

Mit gewissen von der Regierung vorgeschlagenen Sparmaßnahmen kann sich die SP-Fraktion nicht einverstanden erklären.

Gehaltskürzungen bei den Menschen, die für die Gemeinschaft arbeiten oder in deren Auftrag tätig sind, lehnen wir ab! Das kann doch wohl nicht die Aufwertung sein, von der immer wieder für das Personal im Unterrichtswesen die Rede ist.

Wir finden es ebenfalls äußerst bedenklich beim Kindergeld und beim Pflegegeld zu kürzen, beziehungsweise die Indexierung auszusetzen. Auch mit der Streichung der Mietbeihilfen können wir uns nicht einverstanden erklären.

Auf weitere Einzelheiten werden die Mitglieder der SP-Fraktion in den kommenden Tagen noch näher eingehen.

Um ihre Sparmaßnahmen umzusetzen und Änderungen an der DG-Gesetzgebung vorzunehmen, hat die Regierung einen umfangreichen Programmdekretvorschlag von den Mehrheitsfraktionen einreichen lassen. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden.

Die Sache sieht jedoch anders aus, wenn in einem solchen Vorschlag, der im Vorhinein nicht dem Staatsrat zur Begutachtung unterbreitet wurde, Bestimmungen enthalten sind, die komplexe juristische Fragen aufwerfen oder einschneidend in persönliche Rechte der Betroffenen eingreifen. Beides war beim Anfang November eingereichten Programmdekretvorschlag der Fall.

Darüber hinaus beinhaltete er auch noch wichtige Bestimmungen zum Stundenkapital im Unterrichtswesen, die bisher nicht im Programmdekret, sondern im Maßnahmendekret behandelt wurden.

Wir sind der Meinung, dass Bestimmungen, zu denen das Gutachten der Datenschutzkommission erforderlich ist, ebenfalls dem Staatsrat zu unterbreiten sind.

Wir sind ebenfalls der Meinung, dass man neue Maßnahmen im Bereich des Jugendschutzes nicht ohne Staatsratgutachten verabschieden soll.

Und erst recht vertreten wir den Standpunkt, dass Bestimmungen, die den Artikel 23 der Verfassung oder die Anwendung des vom Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung entwickelten „stand still“ Prinzipes betreffen, nicht ohne Gutachten des Staatsrates behandelt werden dürfen.

Ganz konkret ist Letzteres für die Artikel des Programmdekretvorschlages der Fall, die sich auf die Einschränkungen des Jahreszuschlages beim Kindergeld und auf die Streichung der Umzugs- und Mietbeihilfen beziehen.

Nachdem die Oppositionsparteien angekündigt hatten, dass sie in Anwendung von Artikel 70 §1 der Geschäftsordnung von ihrem Recht auf Beantragung eines Staatsratgutachten Gebrauch machen würden, haben die Autoren den Programmdekretvorschlag zurückgezogen und zwei neue Vorschläge eingereicht, von denen einer noch vor Ende des Jahres verabschiedet werden soll. Zu diesem hat die Präsidentin ein Dringlichkeitsgutachten beim Staatsrat angefragt.
Soweit so gut.

Aber wenn von den ursprünglich 230 Artikeln des Programmdekretvorschlags letztlich nur 27 dringlich waren, warum hat die Mehrheit dann das Parlament unnötig unter Druck gesetzt und nicht von Anfang an mit 2 Dekretvorschlägen gearbeitet?

Zumindest sollten wir aus dieser Erfahrung die notwendigen Lehren für unsere zukünftige Arbeitsweise ziehen und in Zukunft, das zeitgleich mit dem Haushalt zu verabschiedende Programmdekret auf die wirklich dringenden Inhalte beschränken.

Und noch etwas möchte ich in aller Deutlichkeit sagen:
Wenn die Beantragung des Staatsratgutachten innerhalb einer 5 Tage- Frist zur Folge haben sollte, dass der Staatsrat lediglich die Zuständigkeit der DG und nicht die Vereinbarkeit mit Artikel 23 der Verfassung und dem „ stand still“ Prinzip prüft, sind wir nicht mit der Vorgehensweise der Präsidentin einverstanden.

Kolleginnen und Kollegen,

die heute und in den kommenden Tagen zu besprechenden Haushalte 2024 und 2025 schließen mit Defiziten in dreistelliger Millionenhöhe ab. Nach ESVG-Norm handelt es sich im Jahr 2024 um 359,8 und in 2025 um 113,9 Millionen Euro.

Die Verschuldung der DG wird somit die 1 Milliarde Grenze durchbrechen und in Verbindung mit den Zinserhöhungen im Vergleich zu früheren Jahren, die Zinsbelastung erheblich ansteigen lassen.

Diese Entwicklung birgt Gefahren, die wir nicht unterschätzen dürfen, die aber auch keinen Anlass zur Panikmache geben sollten, denn Staatsschuld unterliegt eigenen Gesetzen und kann eben nicht so ohne weiteres mit Privatschulden verglichen werden.
Diese Diskussion besteht weltweit und wir sollten sie ebenfalls gründlich für unsere Gemeinschaft führen, sobald die genauen Einzelheiten unseres Haushaltspfades festliegen, werden und wir dann die Schuldentragfähigkeit definitiver einordnen können.

Dies wäre auch der geeignete Augenblick, die Investitionspolitik der DG neu zu bewerten und langfristig abzusichern.

Zwischen Kreditaufnahme und Infrastrukturfinanzierung besteht ein enger Zusammenhang, der durchaus auch zum Einsatz neuer Finanzierungstechniken führen kann.

In diesem Zusammenhang scheinen die Einsatzmöglichkeiten der PROMA-AG übrigens noch durchaus ausbaufähig.
Gerade in finanziell schwierigen Zeiten muss sich die Regierung ganz besonders darum bemühen, zusätzliche Finanzierungsquellen zu erschließen und gegebenenfalls neue Partnerschaften einzugehen.

Ich denke da insbesondere an die Finanzmittel, die augenblicklich noch in einer Höhe von knapp 20 Millionen Euro vom ostbelgischen Steuerzahler oder aus dem wallonischen Provinzfonds an die Provinz Lüttich fließen.

Zur Übernahme der Provinzzuständigkeiten hat die Regierung zügige Verhandlungen angekündigt, während Vertreter der Mehrheitsparteien, hier, in Lüttich und in Namur, die in der Wallonie geplante Reform der Provinzen außerordentlich gelobt haben.
Mögen sie sich da mal nicht getäuscht haben.

In der Wallonie geht es in Wirklichkeit nicht um die Abschaffung der Provinzen, sondern um deren Reorganisation.
Es sollen lediglich einige Provinzzuständigkeiten neu geordnet werden und die gewählten Organe abgeschafft werden.

Das mag anderswo Sinn machen, bedarf aber einer zwei Drittel Mehrheit, über die die aktuelle wallonische Koalition nicht verfügt.
Unser Anliegen, die Provinzzuständigkeiten zu übernehmen oder provinzfreies Gebiet zu werden, regelt diese Reform jedoch keineswegs. Ganz im Gegenteil. Sie kann diese sogar gefährden.

Deshalb ist es von strategischer Bedeutung, dass wir unsere Forderungen zeitlich und inhaltlich losgelöst von der wallonischen Reform vorantreiben und so schnell wie möglich verwirklicht sehen.

Die Antworten aus Namur waren eher ernüchternd.

Sowohl der zuständige Minister als auch andere wallonische Mehrheitspolitiker schmettern unsere Forderung nach einer raschen und spezifischen Lösung unmissverständlich ab, und vertrösteten uns auf die anstehende Reform gegen Ende der Legislaturperiode. Das ist bedauerlich und keineswegs zielführend.

Ja, es droht sogar eine Fahrt in eine Sackgasse ohne Wendemöglichkeit zu werden!

Zusätzliche Mittel können auch aus dem EU-Haushalt abgegriffen werden.
Neben den Geldern aus den Strukturfonds oder dem Erasmusprogramm gibt es noch viele Möglichkeiten für projektgebundene Förderungen, auf die unsere Gemeinschaft noch verstärkt zurückgreifen könnte.

Das Erschließen dieser Quellen stellt insbesondere die Gemeinschaftsverwaltung und ganz speziell unsere Vertretung in Brüssel vor erhebliche Herausforderungen.

Die Funktionstüchtigkeit der Verwaltung muss ständig ausgewertet und verbessert werden.

Nach der Umwandlung des Arbeitsamtes und der Dienststelle für selbstbestimmtes Leben in DGGS und den zum Teil bedenklichen Folgen des Einstellungstopps ist es höchste Zeit, die dringend notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit der administrative Unterbau optimal funktioniert und voll leistungsfähig wird.

Bürokratieabbau, Verwaltungsvereinfachung, Flexibilität, Motivationssteigerung und Kooperation können vieles bewirken. Wunder jedoch nicht!


Einstellungsstopp hin oder her: Da wo, wie zum Beispiel im Bereich der Raumordnung Kernaufgaben wegen Personalmangels brachliegen, muss dringend Abhilfe geschaffen werden.

Kolleginnen und Kollegen,

ich komme zum Schluss.

Von dem in der Regierungserklärung von September angekündigten Projekten ist in dem vorliegenden Haushalt noch nicht viel zu sehen. Wir warten gespannt auf das angekündigte Umsetzungsprogramm des REK 2040 und seinen Finanzierungsplan.
Im Mittelpunkt der nächsten Monate werden sicherlich die Sparmaßnahmen und die Erarbeitung des definitiven Haushaltspfades für die kommenden Jahre stehen.

Mit dem Trick der im Voraus ausgezahlten Gemeinde-, Straßenbau und ÖSHZ-Dotationen- versucht die Regierung, Handlungsspielräume zu retten.

Das kostet immerhin 3 Millionen pro Jahr zusätzlich an Zinsen und steht auf haushaltsrechtlich sehr wackligen Füßen.

Die SP-Fraktion wird diesem Haushalt nicht zustimmen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

 

1. Diskussionsrunde – Ausschuss 1

Rede von Kirsten Neycken-Bartholemy, Vorsitzende der SP-Fraktion zur Haushaltsdebatte vom 09.12.2024 – Tag 1