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Reform der Raumordnung in der DG

Plenum des PDG vom 26. Februar 2024

Redebeitrag von Patrick Spies, Vorsitzender der SP-Fraktion, zur Regierungsmitteilung zur Fortsetzung der Reform der Raumordnung in der DG

Sehr geehrter Herr Präsident,

werte Kolleginnen und Kollegen aus Regierung und Parlament,

eine wichtige Aufgabe von uns Abgeordneten ist es bekanntlich, die Regierung in ihrer Arbeit zu kontrollieren, Lösungsansätze zu erarbeiten sowie über strategische Ausrichtungen zu debattieren. Und genau dies tun wir im vorliegenden Fall für eine ganz besondere Materie.

Denn bei der Raumordnung geht es im wahrsten Sinne des Wortes um die Ordnung des Raumes beziehungsweise um die konkrete Gestaltung Ostbelgiens.

„Raumordnung betrifft am Ende des Tages alles. Raumordnung, das sind Straßen, das ist Wohnen, das ist Industrie, das ist Natur und erneuerbare Energien.“

 So steht es auf der Webseite des Ministeriums beschrieben.

Und genau diese Vielfältigkeit, ja dieses Spektrum an Bereichen ist es, was die Thematik derart spannend und zukunftsweisend macht.

So tun sich hier eine Vielzahl an Fragen auf, zu denen es die entsprechenden Antworten zu erarbeiten und liefern gilt.

So beispielsweise:

  • Wie schaffen wir bezahlbaren Wohnraum mithilfe des Wohnungswesens UND der Raumordnung?
  • Wie schützen wir die Umwelt?
  • Wie ermöglichen wir es den Landwirten, die Flächen, die sie benötigen, auch morgen noch für Tierhaltung und für Lebensmittelanbau zu nutzen?
  • Wie ermöglichen wir die Ansiedlung und die Erweiterung von Industrie und Gewerbe?
  • Welche Flächen sind für eine kollektive oder öffentliche Nutzung geeignet?
  • Wie vereinen wir das alles?
  • Wie können wir die Dienstleistungen in Ostbelgien in jeglicher Hinsicht zugänglich halten?

In der letzten Plenarsitzung erläuterte die Regierung uns dazu ihre Sichtweise. Gerne gehe ich nun im Folgenden auf die wesentlichen Schwerpunkte aus Sicht der SP-Fraktion ein.

Bezahlbarer Wohnraum

Beginnen möchte ich mit dem bezahlbaren Wohnraum. Immerhin stellt dieser in unseren Augen eine der größten Herausforderungen für die Deutschsprachige Gemeinschaft dar. Hier gilt es weiterhin innovative und wegweisende Ansätze zu erarbeiten, die sich genaustens an den Gegebenheiten in Ostbelgien orientieren.

Ohne ein ausreichendes Angebot an bezahlbarem Wohnraum, insbesondere auch für die Mittelschicht, blicken wir ansonsten einer sozialen Talfahrt entgegen.

Das Recht auf eine angemessene Wohnung zählt in unseren Augen zu den Grundrechten des Menschen. Nicht ohne Grund ist dieses Recht auch durch Artikel 23 fest in der belgischen Verfassung verankert.

Daraus erwächst demnach für uns als Politik ein klarer Auftrag. Nämlich dafür Sorge zu tragen, dass es in Ostbelgien auch künftig noch möglich ist, sich ein Eigenheim leisten beziehungsweise erbauen zu können.

Dabei sind es wie so oft das Angebot und die Nachfrage, die sowohl die Mietpreise als auch die Kaufpreise für Grundstücke und Immobilien bestimmen. Demnach würde ein radikaler Betonstopp die ohnehin hohen Preise drastisch steigen lassen.

Wir sind daher der festen Überzeugung, dass wir in Fragen des Urbanismus und der Raumordnung vermehrt die soziale Komponente in den Mittelpunkt des Geschehen stellen sollten.

Es darf keineswegs prioritär darum gehen, ob mein Haus der Allgemeinheit beziehungsweise meinem Nachbarn gefällt, sondern vielmehr darum, inwieweit ich überhaupt in der Lage bin mir den Hausbau noch zu leisten.

Sozialer und bezahlbarer Wohnraum ist in unseren Augen entscheidend für die Förderung von sozialer Gerechtigkeit und hat weitreichende Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und das soziale Gleichgewicht.

Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass die Raumordnungsregeln nicht angepasst werden müssten. Ganz im Gegenteil: Es ist wichtig die Raumordnung umfassend und gezielt zu reformieren.

 

Nachhaltigkeit und Umweltschutz

Nun ein paar Worte zur Nachhaltigkeit sowie zum Umweltschutz. Bekannterweise ist Ostbelgien eine touristische Gegend mit einer hohen Lebensqualität. Die Natur bei uns ist äußerst schön und daher vor allem schützenswert.

Ein besonderes Anliegen ist uns daher die Erhaltung von Arten und Habitaten ebenso wie das Einsparen von Strom und Wärmeenergie sowie das Thema des klimafreundlichen Wohnens.

Uns ist wichtig, dass wir von allen natürlichen Reichtümern den wichtigsten, nämlich unser Wasser (Grundwasser ebenso wie Oberflächenwasser und Talsperren) schützen – sei es als Lebensraum für Pflanzen und Tiere, sei es aus Gründen der Gesundheit oder aber indem wir unser Trinkwasser von ungesunden Einflüssen schützen.

Auch dazu kann die Raumordnung gezielt beitragen.

 

Wirtschaftliche Tätigkeit und das Zusammenleben

Lebensqualität hat mit guter Luft, mit gesundem Wasser, mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln sowie mit bezahlbarem Wohnraum zu tun. Aber auch damit, dass jeder über ein Einkommen, sprich über einen Arbeitsplatz verfügt.

Um Ostbelgien für jeden lebenswert zu erhalten, müssen demnach dann auch im Rahmen der Raumordnung gewissen wirtschaftliche und beschäftigungstechnische Interessen Rechnung getragen werden.

Vorweg: Nicht alle Details der sinnvollen Maßnahmen können wir hier beleuchten, denn die Wirtschaft ist sehr breit aufgestellt.

Von der Sozialwirtschaft über die Landwirtschaft bis hin zu großen Herstellern von beispielsweise Kabeln, Kunststoff, Möbeln oder Holzverarbeitungsbetrieben, den Handwerksbetrieben, den Einzelhandel oder auch Energieproduzenten beherbergt Ostbelgien heute schon eine Vielzahl von Akteuren aus den unterschiedlichsten Bereichen, mit verschiedenen Größen und vor allem mit vielfältigen Bedürfnissen.

In einem ersten Schritt ist es daher wichtig, die verschiedenen Interessen der Branchen und der einzelnen Akteure zu kennen. In einem zweiten Schritt muss auch hier geprüft werden, inwieweit diese miteinander in Einklang gebracht werden können.

Daher ist es ungemein wichtig, dass wir die Arbeitgeberverbände sowie die Sozialpartner regelmäßig befragen und anhören. Denn von dort aus kommen ohne Zweifel konstruktive Vorschläge und Anregungen, die wir zur Kenntnis nehmen sollten.

Auf diese Weise lässt sich in Erfahrung bringen, dass die Arbeitgeber durchaus an Konzepten von energieautarken Industrie- und Gewerbezonen interessiert sind.

Hier steht beispielsweise die Versorgung mit Wasserstoff als Energiequelle als Idee im Raum. Das ist – zugegeben – weit im Voraus gedacht, aber es ist durchaus auch die Aufgabe der Raumordnungspolitik, Entwicklungsstrategien zu entwerfen, die uns helfen, die Zukunft vorzubereiten: ökonomisch, sozial und auch ökologisch.

Wenn uns die Arbeitgeber und die Sozialpartner solche Signale senden, zeigt das, dass man dort bereit ist, nicht nur den heutigen Alltag zu verwalten, sondern auch innovativ die Potentiale zu erschließen, die wir als Standort für Betriebsansiedlungen brauchen.

Die Raumordnung bietet ferner ebenfalls neue Synergiemöglichkeiten. Mit den passenden Regeln können nicht nur Seniorenheime, Schulen, Sozialbetriebe, landwirtschaftliche Betriebe und Unternehmen gegründet werden.

Entwicklungskonzepte können das Zusammenleben der unterschiedlichen Akteure und das Bestehen und Entstehen von Bauten und Grünflächen in Einklang miteinander optimieren.

In unseren Augen ist es wichtig, dass dank einer entsprechenden Raumordnungsstrategie die wichtigsten Dienstleistungen für jeden zugänglich sind.

Die Energie, die von Unternehmen und von Privathaushalten zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich intensiv benötigt wird, sollte dabei idealerweise auch nachhaltig produziert und auf möglichst kurzen Wegen zum Nutzer transportiert werden können.

Und um der Industrie ihre Entfaltung zu ermöglichen, muss der langfristige Bedarf an Industrie- und Gewerbeflächen natürlich ebenfalls abgesichert werden.

 

Kolleginnen und Kollegen,

die Raumordnung zu reformieren ist angesichts der Komplexität und der Vielschichtigkeit der Materie kein leichtes Unterfangen.

Wie begrüßen daher, dass die Regierung die Reform in einzelne Phasen unterteilt hat und sich dabei keineswegs aus der Verantwortung gezogen hat.

Kurzfristige Anpassungen konnten bereits getätigt werden und doch bleibt weiterhin viel Arbeit vor uns.

So erarbeitete die Regierung einen ganz konkreten Vorschlag zur weiteren Vereinfachung und Beschleunigung von Prozeduren.

Der Aufwand war und ist zur Zeit oft unnötig hoch. In unserer modernen Welt sollten die Prozeduren auch in der Raumordnung zeitgemäß sein. Das schafft Entlastung sowohl bei Projektträgern als auch auf Seiten der Verwaltung.

Die Deutschsprachige Gemeinschaft hat es geschafft, teilweise komplexe Akten, die schon lange festgefahren waren, voranzubringen. Nach der Überflutung hat sie den Wiederaufbau erleichtert.

Gewisse überkomplizierte Genehmigungsverfahren wurden bereits abgeschafft.

Andere Prozeduren wurden vereinfacht oder flexibler gestaltet. Hieran erkennen wir, dass die Regierung nicht nur diskutiert, sondern durchaus auch gehandelt hat.

Noch genauer definiert werden müssen aber beispielsweise die Rolle und Aufgaben der Gemeinden.

Niemand kennt die jeweiligen Örtlichkeiten und die dortigen Gegebenheiten besser als die Gemeindekollegien sowie die Gemeinderäte.

Daher sollte schnellstmöglich die Entscheidungshoheit bzgl. aller Ermessensfragen an die Gemeindekollegien delegiert werden.

Das nenne ich die Entwicklung fördern, indem wir die Vielfalt möglich machen. Eine Vielfalt, bei der jede Gemeinde sich ihre Regeln gibt – wobei dann die Einhaltung der Regeln im Rahmen der juristischen Aufsicht über die Gemeinden durch die Deutschsprachige Gemeinschaft sichergestellt wird.

Die Experten und der Minister empfehlen den Gemeinden, die Kräfte zu bündeln, ohne ihre Autonomie zu verlieren.

Eine solche Bündelung lässt sich nicht verordnen. Wir können als DG aber die Anreize dazu schaffen.

Wir können die Bemühungen der Gemeinden dahingehend flankieren indem wir z.B. Musterleitfäden als Tischvorlage erstellen, welche dann von den Gemeinden weiter ausgearbeitet werden können.

Wenn es dann im Anschluss zur Bündelung von Kräften im Bereich der Erarbeitung von Schemen, Leitfäden, Arealen usw. kommt, dann weil die von uns gesetzten Anreize die Kommunen überzeugt haben.

Wenn es aber um die Genehmigung von konkreten Anträgen von Bürgern oder Betrieben geht, sollte jede Gemeinde ihre Entscheidungshoheit autonom nutzen können.

Ganz konkret hat die Regierung vorgeschlagen, wie wir kurzfristig Bürokratie abbauen können. In vielen Fällen ist es schlichtweg besser, wenn die zuständige Gemeinde selbst entscheiden kann, ohne die DG konsultieren zu müssen. Damit würde der Aufwand reduziert und die Verfahren um bis zu 40 Tage verkürzt.

 

Werte Kolleginnen und Kollegen,

Dies sind nur einige wenige Erkenntnisse und Ansätze, die uns am Herzen liegen.

Dabei sprechen wir uns ganz klar weiterhin für einen möglichst breiten Dialog aus. Auch in Zukunft sollte, nein muss, die Raumordnung bürgernah gestaltet werden.

Wir sprechen uns für ein größeres Mitspracherecht der Bevölkerung aus. Dabei geht es darum, das Interesse der Bürgerinnen und Bürger für die Gestaltung unserer Dörfer und Gemeinden aufrechtzuerhalten und es weiterhin zu vertiefen. Dabei sollten auch neue, innovative Konzepte der Beteiligung in Betracht gezogen werden.

In diesem Sinne:

Lasst uns gemeinsam unser schönes Ostbelgien für jeden bezahlbar gestalten und erhalten!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!