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Steigender Konsum von Antidepressiva

Schriftliche Frage von Frau Mechtilde Neuens an Ministerin Klinkenberg

Zum steigenden Konsum von Antidepressiva

Einreichungsdatum: 17. Oktober 2024

 

“Der Anteil junger Menschen, die Antidepressiva einnehmen, ist in den vergangenen zehn Jahren massiv gestiegen”, meldete das GrenzEcho in seiner Ausgabe vom 1.10.2024. Besonders auffällig sei, laut der aktuellen Untersuchung der Freien Krankenkasse, dass vor allem bei Mädchen ein erhöhter Konsum festzustellen ist.

Belgien belegt europaweit Platz zwei unter den europäischen Ländern hinter Kroatien. 

Die Untersuchung der Freien Krankenkasse untersuchte das Medikamentenkonsumverhalten der 12 bis 18-jährigen. Immerhin deckt die Untersuchung 22% der belgischen Jugendlichen in dieser Altersgruppe ab. In den letzten zehn Jahren stieg der Konsum von Antidepressiva in dieser Altersgruppe um 60% (!) an. Beim weiblichen Publikum gab es einen Anstieg von sage und schreibe 90%! Auch die Zahlen der sozialistischen Krankenkasse Solidaris zeichnen ein ähnliches Bild. 80% Zuwachs bei den Mädchen gegenüber von 22% bei den männlichen Altersgenossen. Als Begründung gibt es nur Mutmaßungen. So soll die Pandemie sicherlich eine Rolle gespielt haben. Vor allem bei der Untersuchung der Solidaris könnte man zu dieser Einschätzung kommen, da der Anstieg zwischen 2021 und 2023 bemerkbar war. Im Jahr 2023 ging die Zahl leicht zurück. Ob es ein statistischer Ausreißer ist oder daraus ein Trend sich abzeichnet, wird die Zeit zeigen. 

Erfreulicher schien hingegen im ersten Moment die Nachricht, dass bei den Erwachsenen die Zahlen im von der Freien Krankenkasse untersuchten Zeitraum stabil geblieben sind. 9,2% im Jahr 2013 und 9,4% im Jahr 2022.

Das Gesundheitsministerium schlug aber vor einem Jahr ebenfalls Alarm. Den Zahlen des “SPF santé publique” zufolge, die auf der entsprechenden Kampagnen-Website zu diesem Thema zu finden waren, konsumierte einer von vier Belgiern im Jahr 2022 psychotrope Präparate. Das sind immerhin 3 Millionen Patienten[1]. Auch die staatlichen Zahlen bestätigen, dass der Konsum unter jungen Menschen enorm zugenommen hat. Im Zeitraum 2018-2022 gab es einen Anstieg um 60% bei den 12- bis 18-jährigen. 

Belgien ist übrigens keine Ausnahme. Weltweit stieg der Anstieg an Antidepressiva in den letzten Jahren enorm an. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) gab es in 18 europäischen Staaten einen Anstieg um das Zweieinhalbfache[2].

Interessant ist der Blick auf die Deutschsprachige Gemeinschaft. Die letzten Zahlen aus der nationalen Gesundheitsbefragung von Sciensano für Ostbelgien beziehen sich auf das Jahr 2018.

In der Deutschsprachigen Gemeinschaft konsumierten 9,6% der Ostbelgier Beruhigungsmittel, 6,3% Antidepressiva und 13,4% mindestens eines dieser beiden psychotropen Medikamente (gegenüber 18,2% in der Provinz Lüttich). Frauen konsumieren häufiger psychotrope Medikamente als Männer (16,9% bzw. und 9,6%) und auch das Alter spielt eine wichtige Rolle: 1,4% der 15- bis 24-Jährigen konsumieren sie, und der Anteil der Konsumenten steigt mit jeder Altersgruppe um 7% und erreicht jeden 4. der 65-Jährigen und Älteren (25,7%). Hier sind es vor allem Beruhigungsmittel, die für den Anstieg verantwortlich sind. 23,1% der 65-Jährigen und Älteren gaben an, sie zu nehmen, ein signifikanter Unterschied zu den anderen Altersgruppen[3]

Frühere Berichte der Nationalen Gesundheitsbefragung für Ostbelgien können zum Vergleich nicht herangezogen werden, weil erst mit der Befragung von 2018 belastbares Zahlenmaterial vorliegt. Die damalige Regierung hat im Rahmen einer Zusatzfinanzierung dafür gesorgt, dass die Zahl der Befragten auf eine repräsentative Größe anstieg. 2018 wurden erstmals 900 Personen aus Ostbelgien befragt. Bei früheren Befragungen waren es gerade mal 300 Befragte.

Eine korrekte Datenlage ist wichtig, um einen guten Überblick über das Ausmaß des Problems zu erhalten. Auf Basis der Datenlage muss eine fundierte Analyse erfolgen. Diese bildet in der Folge die Grundlage für einen politischen Rahmen und ein entsprechendes Maßnahmenpaket von Ministerien, Gesundheitsakteuren, den Verbänden und der Wirtschaft. 

Die SP-Fraktion steht für einen vernünftigen Umgang mit Medikamenten. Wir wollen den Einsatz von Medikamenten nicht per se als schlecht darstellen. Viele Krankheiten lassen sich nicht ohne Medikamente behandeln. Die Entwicklung und der Einsatz von Medikamenten haben unheilbare Krankheiten ausgemerzt, Leben gerettet und die Lebensqualität der Menschen verbessert. 

Dennoch stehen wir einem Überkonsum von Medikamenten kritisch gegenüber. Allzu oft werden Antibiotika, Schmerzmittel, Entzündungshemmer, Antidepressiva, Schlafmittel und vieles mehr entweder sehr schnell verschrieben oder eingenommen. Bei falschem Konsum bis hin zu Missbrauch werden die Ursachen für Krankheiten nicht bekämpft. Im schlimmsten Fall verschlimmert sich die Lage oder neue Leiden entstehen. Am Ende freuen sich zwar die Aktionäre der Pharmaindustrie, aber die Gesundheit des Patienten bleibt auf der Strecke. Gleichzeitig steigen die Gesundheitskosten, wodurch Sparmaßnahmen im Gesundheitssektor gefordert werden. Sparmaßnahmen, die am Ende die Bevölkerung treffen.

Wir glauben nicht, dass es eine einzige Antwort auf dieses komplexe Problem gibt. Wir sind uns dessen bewusst, dass viele Akteure eine Rolle spielen und sich an der Lösungsfindung beteiligen müssen. 

Die Politik darf sich allerdings auch nicht mit der Problembeschreibung zufriedenstellen. Die Problembeschreibung ist wichtig zur Lösungsfindung. Sie ist ein erster Schritt, darf aber nicht der Letzte sein. Komplexe Zusammenhänge dürfen nicht zur Ausrede für Nicht-Handeln sein. 

Sicherlich ist die Deutschsprachige Gemeinschaft nicht allein zuständig und verantwortlich. Unseren Informationen zufolge ist der letzte interföderale Aktionsplan zu den psychotropen Substanzen 2021 ausgelaufen. 

Die SP-Fraktion spricht sich daher klar dafür aus, dass die neuen Regierungen im Land einen neuen Aktionsplan ausarbeiten müssen. 

Dennoch darf die DG in der Zwischenzeit nicht untätig bleiben. Auch darf die Aufteilung der Zuständigkeiten in Belgien keine Ausrede dafür sein, nicht aktiv zu werden oder die Verantwortung auf einer anderen politischen Ebene zu suchen.

Die Gesundheitsministerin der DG ist allerdings für die Prävention und die Aufsicht der Ärztekreise zuständig. Hier kann die Regierung sehr wohl mit den nötigen Maßnahmen dafür sorgen, dass eine breitere Information und Sensibilisierung stattfinden. Wichtig ist, dass die Gesundheitsdienstleister künftig entsprechende Rahmenbedingungen erhalten, um ihre Arbeit in diesem Bereich zu vertiefen.

Konkret denken wir an den Patienten Rat&Treff (PRT), an die Arbeitsgemeinschaft für Suchtvorbeugung und Lebensbewältigung (ASL), an das Beratungs- und Therapiezentrum (BTZ), Kaleido Ostbelgien, die Krankenkassen als Akteure in der Prävention, die Ärztekreise und viele weitere. Bei diesen Akteuren kann die Deutschsprachige Gemeinschaft über Jahresverträge und Geschäftsführungsverträge sowohl die Aufgaben festhalten als auch die finanziellen Spielräume schaffen. 

Wir denken allerdings auch an eine notwendige Netzwerkarbeit, die viele Dienste und Institutionen zusammenbringen muss, damit der Konsum von Antidepressiva und Schlafmitteln abnehmen kann. Es geht um Schulen, Wohn- und Pflegezentren, die Sozialpartner, Vereine, Krankenhäuser, selbständige Psychologen, Psychiater und viele weitere.

Sicherlich könnte man im Rahmen einer integrierten Gesundheitsversorgung das Thema der Prävention systemisch angehen. In diesem Zusammenhang freut es die SP-Fraktion, dass die neue Regierung in der Regierungserklärung ankündigt, die Arbeit des ehemaligen Ministers bei der Umsetzung des Projekts “Gesundes Ostbelgien” fortzusetzen. Der Föderalstaat legt allerdings fest, welche Bereiche der integrierten Versorgung zunächst behandelt werden sollen. Unseren Informationen zufolge wird man in Kürze in der prä- und postnatalen Versorgung ansetzen. 

Die Frage bleibt dann trotzdem offen, welche Maßnahmen die neue Regierung darüber hinaus in der Prävention ergreifen wird. In der Regierungserklärung haben wir bis auf die integrierte Gesundheitsversorgung und einen Hinweis darauf, dass Sport und Bewegung ebenfalls zur Prävention gehören, leider nichts gefunden.

Umso mehr ist die SP-Fraktion daher daran interessiert zu erfahren, was die künftigen Pläne in der Prävention sind und ob die Regierung dem erhöhten Konsum von Antidepresssiva den Kampf ansagen wird.

  1. Verfügt die Regierung der DG über aktuelles Zahlenmaterial zum Konsum von Antidepressiva in der Deutschsprachigen Gemeinschaft?
  2. Wann werden die neuesten Ergebnisse der Nationalen Gesundheitsbefragung zur Situation in der Deutschsprachigen Gemeinschaft der Öffentlichkeit vorgestellt? 
  3. Insofern diese Zahlen Regierung und Ministerium vorliegen, welche Entwicklung zeichnet sich in Bezug auf psychotrope Substanzen ab?
  4. Welche Maßnahmen hat die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft für die Prävention in diesem Bereich geplant?
  5. Mit welchen finanziellen Erhöhungen können Dienstleister wie der PRT, die ASL, das BTZ und andere rechnen, um die Bemühungen in der Prävention, Beratung und Behandlung zu intensivieren?
  6. Uns interessieren die Möglichkeiten, auf die die Regierung der DG direkt Einfluss hat. Welche Möglichkeiten sieht die Regierung, um den Konsum von Antidepressiva zu beeinflussen? 
  7. Wird die Regierung der DG die Initiative ergreifen, die Ausarbeitung eines neuen interföderalen Aktionsplans zu den psychotropen Substanzen zu fordern?
  8. Wird die Regierung der DG sich weiterhin dafür einsetzen, dass die Website der Kampagne  “usagepsychotropes.be” endlich in deutscher Sprache verfügbar sein wird?
  9. Welche Maßnahmen zur Netzwerkförderung wird die Regierung der DG auf dem Gebiet deutscher Sprache unternehmen, um ein gemeinsames Handeln bei der Bekämpfung des erhöhten Konsums zu organisieren?
  10. Welche neuen Maßnahmen plant die Regierung der DG, um die mentale Gesundheit von Jugendlichen und Erwachsenen zu verbessern?

[1] Psychotropes : quels risques pour vos patients ? Ensemble, favorisons un usage adapté | Santé publique, sécurité de la chaîne alimentaire et environnement (usagepsychotropes.be)

[2] Psychopharmaka in Europa: In welchem Land werden die meisten Antidepressiva genommen? | Euronews

[3] Microsoft Word – Report_GC_Final (ostbelgienlive.be)


Antwort der Ministerin 

Antwort eingegangen am 25. November 2024

In Belgien hat jeder Bürger die Möglichkeit, über die Datenbank Pharmanet Zahlen zum Verbrauch von Antidepressiva abzurufen. Dieses Zahlenmaterial stammt von der IMA-AIM, einer Vereinigung der Krankenkassen, die den Anteil der Versicherten erfasst, die Antidepressiva einnehmen. Auf dem OpenData-Portal der IMA-AIM (IMA-AIM Atlas) kann jedermann diesen Indikator in verschiedenen Aufschlüsselungen auch für Ostbelgien einsehen (siehe Anlage 1). In diesen Zahlen sind jedoch nicht die Zahlen all jener enthalten, die in Deutschland krankenversichert sind.

Die Ergebnisse der nationalen Gesundheitsbefragung werden voraussichtlich erst Mitte 2026 veröffentlicht. Der Gesundheitssurvey hatte große Schwierigkeiten, die notwendige Anzahl an Befragungen zu erreichen, da Interviewer fehlten und die Teilnahmebereitschaft der Bevölkerung gering war, was zu einer deutlichen Verzögerung geführt hat. Für die Deutschsprachige Gemeinschaft liegen ca. 300 Interviews vor (Stand 25.10.2024). Ein Oversampling von 600 Befragungen wie im Jahr 2018 wird nicht möglich sein, da es Sciensano nicht gelungen ist, eine ausreichende Anzahl deutschsprachiger Interviewer zu rekrutieren. Daher werden kaum mehr als 300 Interviews für Ostbelgien in die Endergebnisse einfließen. Aufgrund dieser geringen Anzahl von Befragten werden auch die Ergebnisse speziell für die DG nicht sehr aussagekräftig sein. In Belgien ist jedoch der Anteil der Versicherten, die Antidepressiva einnehmen, in den letzten zehn Jahren insgesamt stabil geblieben (mit leichten Anstiegen in den letzten Jahren)5.

Die Deutschsprachige Gemeinschaft hat keine direkten Einflussmöglichkeiten, um den Konsum von Antidepressiva zu beeinflussen. Die entsprechenden Kompetenzen im Bereich der verschreibungspflichtigen Medikamente liegen ausschließlich beim Föderalstaat. Die Deutschsprachige Gemeinschaft kann nur indirekt über ihre Kompetenzen im Bereich der Gesundheitsvorsorge und der psychischen Gesundheit Einfluss nehmen, indem sie über das Thema informiert und eine gute Betreuung und Behandlung anbietet.
So hat das WPZS St. Joseph 2018 am Projekt COME-ON teilgenommen, das eine effizientere und rationellere Verschreibung und Verwendung von Medikamenten in den Wohn- und Pflegezentren zum Ziel hat. Darüber hinaus unterstützt die Deutschsprachige Gemeinschaft alle Initiativen des Föderalstaates zur Bekämpfung des erhöhten Konsums psychotroper Substanzen.

Um die Ärzte zu sensibilisieren, die Antidepressiva verschreiben (73 % der Patienten er-halten das Rezept von ihrem Hausarzt6), wurde im September 2023 ein Projekt auf föderaler Ebene gestartet, damit Antidepressiva nur dann verschrieben werden, wenn alle an-deren Behandlungen erfolglos geblieben sind. Ziel der Kampagne ist es, Gesundheitsfachleute zu unterstützen, indem sie über ein Portal aktuelle und evidenzbasierte Informationen zu Psychopharmaka erhalten. Um die Kampagne „usagepsychotropes.be“ auch ins Deutsche übersetzen zu lassen, hat der Fachbereich Gesundheit und Senioren im März 2023 einen Antrag gestellt. Die Zelle Drogen des FÖD Gesundheit hat jedoch geantwortet, dass sie leider nicht über die Mittel verfügt, um dies zu tun. Da es sich um eine Veröffentlichung der zentralen Dienststelle einer föderalen öffentlichen Behörde handelt, die sich nicht an die breite Öffentlichkeit, sondern nur an ein Fachpublikum richtet, stellt die Nichtverfügbarkeit der Website in deutscher Sprache keinen Verstoß gegen Artikel 40 Absatz 2 der koordinierten Gesetze über den Sprachengebrauch in Verwaltungsangelegenheiten dar. Die Föderalbehörden sind daher nicht verpflichtet, die Website in deutscher Sprache anzubieten. Sollten die föderalen Behörden daher aufgefordert werden, die Website ins Deutsche zu übersetzen, müsste die Deutschsprachige Gemeinschaft wahrscheinlich die Kosten dafür tragen. Da die Zielgruppe dieser Kampagne Ärzte, Apotheker und Psychologen sind und die meisten dieser Berufsgruppen ihr Studium in französischer Sprache absolviert haben, kann da-von ausgegangen werden, dass diese Studie dieses Publikum auch in französischer Sprache erreicht hat.

Um eine Reduzierung des übermäßigen Konsums von Antidepressiva zu erreichen, verfügt die Deutschsprachige Gemeinschaft über ein breites Netzwerk, das unter anderem in der Präventionsarbeit tätig ist. Trotz erheblicher Sparzwänge und vorbehaltlich der Verabschiedung des Haushaltsentwurfs der Regierung durch das Parlament hat die Regierung in ihrer Haushaltsplanung für 2025 keine Kürzungen bei den sozialen Organisationen vorgenommen. Im Gegenteil, die Zuschüsse wurden im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Für das entsprechende Zahlenmaterial verweise ich auf die Haushaltsberatungen.

Die Aufgabe dieser Dienste besteht unter anderem darin, die psychische Gesundheit der Menschen so weit wie möglich zu stärken, damit weniger Menschen Antidepressiva einnehmen. Dies kann auf verschiedene Weise erreicht werden, z. B. durch verschiedene Kampagnen und Aktionen im Bereich der psychischen Gesundheit, aber auch durch eine angemessene Unterstützung durch Psychologen und Therapeuten. Konkret bedeutet dies für die Organisationen, dass alle Maßnahmen, die die psychische Gesundheit unterstützen, auch Maßnahmen sind, die den Konsum von Antidepressiva reduzieren.

Es besteht bereits eine intensive Zusammenarbeit zwischen den Diensten, die sich mit der Thematik der Bekämpfung des erhöhten Konsums befassen. Das Netzwerk für mentale Gesundheit in Ostbelgien sorgt dafür, dass die verschiedenen Partner koordiniert arbeiten, um die mentale Gesundheit der Bürger zu stärken. In der Deutschsprachigen Gemeinschaft haben folgende Dienste den Auftrag, die psychische Gesundheit von Jugendlichen und Erwachsenen durch verschiedene Maßnahmen zu verbessern:

  • Kaleido ist zuständig für die Förderung der (körperlichen und seelischen) Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Alter von 0 bis 20 Jahren. Darüber hinaus bietet Ka-leido Elternkurse sowie Informations- und Sensibilisierungsveranstaltungen (z.B. Webi-nare „Telefonbasierte Kindheit“, „Das krisenfeste Kind“) an. Neben der Beratung, Be-gleitung und Orientierung von Kindern/Jugendlichen (und ihren Familien) bei bereits eingetretenen Gesundheitsproblemen arbeitet Kaleido auch im Bereich der so genann-ten Primärprävention. Beispiele für solche Präventionsprogramme sind z.B. „Papilio“ (Kindergarten und Primarstufe 1-4) zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen oder „Fairplayer“ (Primarstufe 5-6 + Sekundarstufe 1-3), ein Anti-Mobbing-Programm.
  • Der PRT ist einer der wichtigsten Ansprechpartner in der Deutschsprachigen Gemein-schaft für das Thema Prävention. Auch das Thema psychische Gesundheit ist ein Schwerpunkt. Alle zwei Jahre findet mindestens eine Sensibilisierungskampagne statt, dies ist auch weiterhin geplant. Eine Übersicht über die Kampagnen seit 2020 findet sich im Anhang (Anlage 2).
  • Die ASL ist ein wichtiger Partner in der Suchtprävention und Suchtbehandlung. Das In-terreg-Projekt Social Norm Approach der ASL (2018-2021) bezog sich auf den verant-wortungsvollen Umgang mit Medikamenten bei 55plussern. Bei der Recherche für dieses Projekt stellte die ASL fest, dass die meisten 55plusser verantwortungsvoll mit Schlaf- und Schmerzmitteln umgehen. Die ASL ist der Ansicht, dass die Hauptanstrengung darin bestehen sollte, das Bewusstsein der verschreibenden Ärzte und der Patienten zu schärfen. Diese Bemühungen sollten fortgesetzt werden.
  • Das BTZ bietet multidisziplinäre Therapie für Kinder bis 14 Jahre und psychosoziale Be-gleitung für alle Altersgruppen sowie einen psychiatrischen Begleitdienst zur Unterstüt-zung im häuslichen Umfeld. Es arbeitet explizit mit Menschen, die an Depressionen oder depressiven Verstimmungen leiden. Das BTZ fasst diese Zielgruppe unter dem Begriff „emotionale Verarbeitung“ zusammen. Diese machen im Jahr 2023 23,2% der betreu-ten Klientel aus. Beim psychiatrischen Begleitdienst sind es sogar 29% der Zielgruppe (von 148 begleiteten Personen). Das BTZ wird diese Aufgaben auch weiterhin wahrneh-men. Im Rahmen der föderalen Zuständigkeit wurde mit dem Netzwerk mentale Ge-sundheit Ostbelgien das Angebot der Psychologen der 1. Linie7 aufgebaut. Hier geht es darum, kurzfristig psychologische Unterstützung zu erhalten und damit einer Erkran-kung, aber auch einer möglichen medikamentösen Behandlung vorzubeugen. Diese Auf-gabe wurde ebenfalls beim BTZ angesiedelt und wird weitergeführt.
    7 Erste Linie Psychologen – Netzwerk Mentale Gesundheit Ostbelgien.
  • Das BWO (begleitetes Wohnen) bietet an 4 Standorten in der Deutschsprachigen Ge-meinschaft ein Wohnangebot für Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen an. Ins-gesamt leben 19 Bewohner im BWO und werden in ihrem Alltag begleitet. Das BWO arbeitet explizit mit Menschen, die an Depressionen oder depressiven Verstimmungen leiden. Nach Angaben des BWO leiden 29% der Bewohner an einer solchen Erkrankung. Das BWO wird dieses Angebot weiterführen. Zudem ist die Eröffnung eines 20. Platzes geplant und der Aktivierungsdienst baut seine Aktivitäten aus.
  • Das Psychiatrische Pflegewohnheim (PPH) ist mit der allgemeinen multidisziplinären psychosozialen Betreuung und Pflege von Erwachsenen mit stabilisierten chronischen psychiatrischen Erkrankungen beauftragt. Das PPH bietet Pflege und Wohnbetreuung für Erwachsene mit psychologischen, sozialen, tagesstrukturierenden und medizinischen Angeboten. Nach Angaben des PPH leiden 13% der Bewohner an verschiedenen Formen von Depressionen. Das PPH arbeitet derzeit intensiv an der Erweiterung seiner Aktivi-täten im Rahmen der Einrichtung einer Tagesstätte.
  • Auch im Bereich der Gesundheitsförderungsprojekte gab es in der Vergangenheit bereits Projekte mit dem Schwerpunkt psychische Gesundheit zu Themen wie z.B. wertschät-zende Kommunikation am Arbeitsplatz, gewaltfreie Kommunikation mit Kindern etc. Weitere Initiativen in dieser Richtung sind auch in Zukunft möglich.
  • Im Seniorenbereich ist das Thema „Einsamkeit“ ein zentraler Faktor, der für das psy-chische Wohlbefinden von großer Bedeutung ist. So ermöglicht das Dekret vom 13. De-zember 2018 über die Angebote für Senioren und Personen mit Unterstützungsbedarf sowie über die Palliativpflege niederschwellige Angebote. Dabei handelt es sich um An-gebote wie die Stundenblume oder den Josephine Koch Service. Beides sind Projekte, die die Nachbarschaftshilfe fördern. Darüber hinaus regelt der Erlass die Angebote der Tagespflege, der Tagesbetreuung sowie die Seniorendorfhäuser und Mittendrin. Auch dies sind Angebote, die ältere Menschen in ihrem direkten Lebensumfeld ansprechen.
    Soziale Begegnungsstätten arbeiten ebenfalls mit diesen Menschen. Im kulturellen und sportlichen Bereich gibt es zahlreiche niederschwellige Angebote, die wohnortnah statt-finden. Auch der Aufruf zum ehrenamtlichen Engagement wirkt der Vereinsamung ent-gegen.
    Durch die Einführung von Alltagsbegleitern in den WPZS gibt es nun Personal in den Einrichtungen, das erstmals ganz gezielt die Stärkung des Wohlbefindens der Bewohner zum Ziel hat. Die Alltagsbegleiter bieten den Bewohnern Begleitung und Aktivitäten mit dem Ziel, ihre Selbständigkeit so lange wie möglich zu erhalten und ihr Wohlbefinden und ihre Lebenszufriedenheit zu steigern.
  • Auch auf Seiten der Patienten soll ein Wandel unterstützt werden, so dass sie nicht direkt nach Medikamenten fragen, sondern offen für Alternativen sind. Die Entschei-dung für eine Medikation trifft der Bürger in der Regel gemeinsam mit dem Arzt seines Vertrauens, es handelt sich also um eine individuelle ärztliche Verordnung, die speziell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt ist. Mögliche Fragen zur Wirksamkeit oder zu Nebenwirkungen, Zweifel oder Unsicherheiten bezüglich einer Medikation oder Be-handlung können direkt mit dem Arzt besprochen werden.
    Obwohl es sich um eine föderale Zuständigkeit handelt, ist die Deutschsprachige Ge-meinschaft nicht untätig: Die KPVDB hat die Möglichkeit, in diesem Bereich Schulungen für das Personal von Einrichtungen oder Leistungserbringern anzubieten.

 

5 https://aim-ima.be/Antidepressiva-in-Belgie.
6 RAPPORT-NL-Antidepresseurs_2022.pdf.

7 Erste Linie Psychologen – Netzwerk Mentale Gesundheit Ostbelgien.