Plenum des PDG vom 21. Februar 2022
Stellungnahme Charles Servaty, Vorsitzender der SP-Fraktion
Zur Themendebatte zur Herabsenkung des Kindergarteneintrittsalters auf 2,5 Jahre
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Mitglieder der Regierung,
werte Kolleginnen und Kollegen,
es freut mich, dass meine Frage in der jüngsten Regierungskontrollsitzung von Ausschuss 3 die Kollegen dazu bewogen hat, einen Antrag auf Debatte einzureichen. Damit haben wir die Möglichkeit, intensiv öffentlich auszutauschen und uns informieren zu lassen. Und nicht zuletzt gilt es, die Öffentlichkeit mit dieser Themendebatte zu informieren und noch enger einzubeziehen. Schließlich hatte ich in meiner Fragestellung die in mehreren Leserbriefen zum Ausdruck gebrachte Skepsis zur Sprache gebracht.
Es geht also heute zum wiederholten Male um die Herabsenkung des Kindergarteneintrittsalters aus 2,5 Jahre. Ein Thema, das für uns aus gleich mehrfacher Sicht wichtig ist.
Nicht zuletzt, weil sich besorgte Bürger in der Presse dazu äußerten und wir nach wie vor der Meinung sind, dass auf Sorgen von Bürgern reagiert werden muss. So ist es auch im Ausschuss bereits geschehen.
Jedoch möchte ich eingangs bemerken, dass uns das Thema schon länger beschäftigt und wir da auch dran festhalten sollten. Dass das Kindergarteneintrittsalter herabgesetzt werden soll, ist schon länger bekannt. Mit der Idee erklärt sich die SP-Fraktion weiterhin grundsätzlich einverstanden. Das möchte ich hier direkt vorwegnehmen, um jegliche Missverständnisse zu vermeiden. Doch, wenngleich wir das Vorhaben nach wie vor mittragen, nutze ich die Gelegenheit, unsere Position ausführlicher darzulegen.
Uns sind zunächst die Bedingungen wichtig, die für 2,5-Jährige in den Kindergärten herrschen werden.
Ich meine damit sowohl die räumlichen als auch die organisatorischen Bedingungen.
Voraussetzung für das Herabsenken des Kindergarteneintrittsalters ist die Schaffung guter Rahmenbedingungen. Denn für Kinder in dem Alter bestehen aktuell bereits Angebote. Es sollte also nicht um jeden Preis ein Angebot geschaffen werden.
Nein, nicht um jeden Preis irgendein Angebot für alle Kinder, sondern das beste Angebot für jedes Kind – Das ist es, was die SP-Fraktion fordert!
Sie merken, es kommt auch auf die Einzelheiten und die Details an. Darauf legt die SP-Fraktion viel Wert. Denn wenn es um das Wohl unserer Kinder geht, gibt es in unseren Augen keine zu vernachlässigenden Details. Hier muss bestmöglich alles stimmen!
Doch was ist alles?
Die Herabsenkung des Kindergarteneintrittsalters erfordert besondere räumliche und organisatorische Anpassungen. Mit „räumlich“ meine ich sowohl die Infrastruktur als auch das Material und die Ausstattung der Räumlichkeiten.
Organisatorisch versteht sich hier auch im breitesten Sinne. Ich denke aber besonders an die personellen Voraussetzungen. Die in Aussicht gestellten personellen Ressourcen wurden zu 50 % bereits zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus lässt die zuständige Ministerin keinen Zweifel aufkommen, dass trotz des ohnehin schon „extrem guten Betreuungsschlüssels“ bald weiteres Personal für die Kindergärten verfügbar sein wird. Die Erklärungen dazu gibt die Ministerin gern selbst allen hier Anwesenden, dessen bin ich mir sicher.
Um sowohl die organisatorischen als auch die räumlichen Bedingungen zu schaffen sind allerdings auch die Schulträger maßgeblich gefordert. Das Vorhaben der Regierung ist längst bekannt. Es liegt nun u.a. auch an den jeweiligen Schulträgern, die entsprechenden Anträge einzureichen, um den Bedarf situationsspezifisch anzumelden. Uns ist bewusst, dass die Schulträger und deren Personal vor Ort insbesondere seit Beginn der Coronapandemie schon sehr viel leisten. Jedoch kennt keiner die Situation und die Bedürfnisse besser als sie.
Uns als SP-Fraktion ist nicht zuletzt deswegen wichtig, dass die Schulträger und insbesondere auch die zuständigen Schulleiter eng eingebunden werden und über sie oder auch ganz direkt so viele weitere Akteure wie möglich.
Nicht zuletzt die Leserbriefe, auf die ich mich in meinen Fragen bezog, bezeugen die Wichtigkeit, die Akteure einzubeziehen. Kindergärtnerinnen kennen die Situation in ihren Einrichtungen. Ob die Verfasser der Leserbriefe bereits über alle Informationen in Bezug auf die weitere Umsetzung verfügten, möchte ich nicht beurteilen. Jedoch ist eins sicher: Sie können mit ihrer Erfahrung und ihrer Expertise zur guten Umsetzung der Herabsenkung des Kindergarteneintrittsalters beitragen, dies umso mehr, wenn man ihnen die Informationen zukommen lässt und sie einbezieht.
Die SP-Fraktion begrüßt demnach, dass die zahlreichen Autorinnen und Autoren von Leserbriefen ihren Beitrag geleistet und den Austausch hier mitgestaltet haben.
Hervorheben möchten wir vor allem, dass sie die Wichtigkeit der besonderen Bedürfnisse der Kinder in diesem Alter bestätigten. Diesen müssen wir gerecht werden können.
Der SP-Fraktion ist wichtig, dass der Lebensrhythmus der Kinder unter drei Jahren berücksichtigt wird. So unter anderem auch der Schlafrhythmus.
Gleiches gilt aber selbstverständlich auch in der aktuellen Situation. Kinder über drei Jahren, die sich insbesondere zu Beginn des Nachmittags noch ausruhen müssen, sollten diese Möglichkeit haben – von anderen Bedürfnissen, die sie mit Kindern unter drei Jahren teilen, ganz zu schweigen.
Näher eingehen möchte ich nun auch auf jene Strukturen, die aktuell bereits Kinder unter drei Jahren aufnehmen: Kinderkrippen, Tagesmütter, Ko-Tagesmütterhäuser, wie sie auch immer organisiert sein mögen. Verständlicherweise stellen auch die dortigen Akteure sich Fragen.
Eins vorweg: Man muss die Thematik der Herabsenkung des Kindergarteneintrittsalters ganzheitlich angehen. In den Überlegungen muss auch die Kinderbetreuung immer eine Rolle spielen.
Nichtsdestotrotz kann ich hier leider nicht ausführlich auf alle Aspekte mit Bezug zur Kinderbetreuung eingehen.
Manch einer hat vielleicht Sorgen in Bezug auf seine eigene finanzielle Situation und auf die mittelfristige Tragbarkeit seiner Arbeitssituation. Viele sorgen sich auch um die Kinder, die zukünftig früher in den Kindergarten gehen dürfen. Andere wiederum machen sich in der Hinsicht kaum Sorgen. Ja, auch derlei Rückmeldungen haben wir erhalten. Auch diese müssen wir berücksichtigen.
Und wenn man über die Kinderbetreuung nachdenkt, über Zukunftsmodelle, über die Aufwertung der Kinderbetreuung usw., dann kann es immer gut sein, im Hinterkopf zu behalten, welche Möglichkeiten für 2,5-Jährige geschaffen werden.
Synergien können auch zwischen der Kinderbetreuungseinrichtung und dem Kindergarten geschaffen werden. Warum nicht über ein Modell des schrittweisen Übergangs zumindest in einigen Fällen nachdenken? Immer mit dem Ziel, den Bedürfnissen des Kindes entsprechend zu handeln. Hiermit könnte man womöglich in einigen Fällen den Übergang in den Kindergarten erleichtern.
Doch um darüber nachzudenken, muss endlich das Vollstatut für Tagesmütter eingeführt werden.
Hier müssen zumindest sehr schnell ganz konkrete fristgebundene Perspektiven aufgezeigt werden.
Denn aktuell sind Tagesmütter darauf angewiesen, ständig möglichst viele Kinder zu betreuen. Es müssen endlich für alle Tagesmütter gute, aber vor allem auch langfristig sichere Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Hiermit würden sehr viele Probleme strukturell gelöst.
Ganz nebenbei: wenn das Vollstatut endlich bestünde, könnten wir hier im Parlament sehr viel Zeit sparen, die wir aktuell mit dem Besprechen von Übergangslösungen verbringen. Gleichzeitig könnten wir auch auf das Herabsenken des Kindergarteneintrittsalters einen anderen Blick werfen und einige Sorgen von Kinderbetreuern und Kinderbetreuerinnen sofort aus der Welt schaffen.
Um das Vorhandensein und das Nichtvorhandensein von auf das Kind bezogenen Sorgen verstehen zu können, muss man sich mit der Thematik aus kindheitspädagogischer Sicht befassen. Man darf aber vor allem auch eins nie vergessen: Jedes Kind ist eigen. Jeder Mensch unterscheidet sich von allen anderen und das beginnt schon in der Kindheit. Deswegen sei auch hier vor Verallgemeinerungen gewarnt.
Und es sei daran erinnert, dass wir für Kinder unter drei Jahren eine zusätzliche Möglichkeit, jedoch keine Pflicht einführen.
Man darf die Wichtigkeit der frühzeitigen Einschulung und des frühzeitigen Eintritts in den Kindergarten aber nicht ignorieren. Man muss ausführlich die Gesellschaft und in erster Linie Eltern informieren und es sollte nicht gezögert werden, den frühzeitigen Eintritt in den Kindergarten, insofern alle Rahmenbedingungen erfüllt sind, zu fördern.
Wir sehen in der Herabsenkung des Kindergarteneintrittsalters vor allem auch für zahlreiche Familien Vorteile.
Diese Vorteile für Familien entwickeln sich schnell zu Vorteilen für die gesamte Gesellschaft! Miteinander leben lernt man nicht zuletzt im Kindergarten.
Das bisherige Modell führt dazu, dass Kinder in den ersten drei Lebensjahren entweder zuhause oder in einer Kinderbetreuung die meiste Zeit verbringen. Je nachdem wie sich die Eltern entscheiden und abhängig vom Umfeld der Familie hat das Kind entweder begrenzt oder noch begrenzter Kontakt mit anderen Kindern seines Alters.
Heute debattieren wir über die Möglichkeit, jedem Kind ab 2,5 Jahren eine zusätzliche Möglichkeit zu geben, Kinder kennenzulernen, Freundschaften zu knüpfen und den Umgang mit anderen zu erlernen.
Vor diesem Hintergrund steht die SP-Fraktion der Herabsenkung des Kindergarteneintrittsalters grundsätzlich offen, ja sogar positiv gegenüber. Jedoch müssen die Rahmenbedingungen in Zusammenarbeit mit allen betroffenen Akteuren geschaffen werden. Hier schätzen wir den bisher eingeschlagenen Weg. Jetzt geht es darum, die Arbeit intensiv und mit einer breiten Einbindung aller Betroffenen fortzusetzen.
Nicht aus Prinzip oder aus koalitionstechnischen Gründen wünschen wir uns die Herabsenkung des Kindergarteneintrittsalters. Nein, wir wünschen sie uns als zusätzliche Möglichkeit, das soziale Miteinander frühzeitig zu fördern. Hier können wir eine Möglichkeit schaffen, jedem Kind seinen Bedürfnissen entsprechend und der Förderung des sozialen Zusammenhalts in der Gesellschaft gerecht zu werden.
Und weil es so wichtig ist, betone ich es nochmal: Damit die Umsetzung dieser Maßnahme erfolgreich geschehen kann, müssen möglichst viele Akteure einbezogen werden. Nur dann kann diese Maßnahme positiv gestaltet und auch als solche wahrgenommen werden. Es muss deutlich ersichtlich sein, dass die Herabsenkung des Kindergarteneintrittsalters kein Prinzipbeschluss um des Prinzips Willen, sondern ein Auftrag geprägt von positiven Absichten ist.
Ich habe nunmehr dargelegt, wie wichtig die Einbeziehung möglichst vieler Akteure ist und dass dieses Thema weit über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hinausgeht. Ohne dass ich diesen, letzteren Aspekt, hätte kleinreden wollen. Denn auch für eine bessere Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf steht die SP Ostbelgien weiterhin ein.
Danke für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit!
Charles Servaty