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Altersarmut in der DG

Mündliche Frage von Frau Mechtilde Neuens an Ministerin Klinkenberg

Zur Altersarmut in der DG

Regierungskontrollsitzung des Ausschusses IV vom 06.11.2024

„Senioren zunehmend von Armut bedroht“, so lautete der Titel eines GrenzEcho-Berichtes vom 4. November. Darin berichtet der Autor von der Bedrohung einer steigenden Armut und Ausgrenzung. Obwohl viele dieser Menschen ein Leben lang gearbeitet haben, reicht das Einkommen nicht aus, um die Lebenskosten zu bestreiten. Der Preisanstieg für Lebensmittel, Wohn- und Energiekosten verschärfen die Situation. Gerade in den Wintermonaten wird es noch kritischer. Es ist die Rede von Verzicht von grundlegenden Bedürfnissen.

17 % der Senioren in Belgien gelten als armutsgefährdet. Das betrifft jeden fünften Rentner. Im GrenzEcho-Bericht kommen zwei Seniorinnen zu Wort, die das Augenmerk auf die besondere Situation von Frauen richten, die besonders von Altersarmut gefährdet sind, wenn sie aufgrund von Erziehungs- und Haushaltsaufgaben teilweise oder gänzlich nicht berufstätig sind.

Wenn man derartige Berichte liest, dann fühlt man sich im beschaulichen Ostbelgien sicher. Doch unsere Heimat ist keine Insel der Glückseligen. Gerade hier ist die Armut aufgrund von Scham nicht sichtbar und doch vorhanden.

Im März 2023 kam die Zählung der Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit in Ostbelgien zum Ergebnis, dass zum festgelegten Stichdatum 192 obdachlose oder wohnungslose Menschen unter uns und neben uns leben.

Wie groß die tatsächliche Altersarmut in Ostbelgien ist, ist schwer zu sagen. Eine Interview-Reihe des Wirtschafts- und Sozialrats aus dem Jahr 2021 kam zum Ergebnis, dass von den 16.000 Senioren in Ostbelgien schätzungsweise 2.000 Menschen in finanzieller oder sozialer Altersarmut leben.

Die Generalsekretärin des Wallonischen Netzwerks zur Armutsbekämpfung betont im GrenzEcho-Bericht die Notwendigkeit eines ganzjährigen Plans zur Bewältigung der Wohnungskrise.

Die Deutschsprachige Gemeinschaft ist sowohl für die Wohnungsbaupolitik als auch für die Seniorenpolitik und Teile der Sozialpolitik zuständig.

Angesichts dieser Hiobsbotschaften und der anstehenden Sparmaßnahmen der Regierung der DG darunter im Seniorenbereich möchte ich von Ihnen wissen:

  • Wie bewertet die Regierung der DG die Situation in Ostbelgien?
  • Welche Schritte wird die Regierung der DG trotz Sparmaßnahmen unternehmen, um die Altersarmut in Ostbelgien strategisch zu bekämpfen?
  • Wie sieht der Plan der Regierung der DG aus, um das Wohnen im Alter bezahlbarer zu machen?

Einschalten! Mechtildes Frage in der öffentlichen Sitzung von Ausschuss IV

Antwort der Ministerin:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

in der Deutschsprachigen Gemeinschaft gibt es kein direktes Pendant zum sogenannten „Plan Grand Froid“ der Wallonie, der von den städtischen „Relais sociaux“ jährlich bis zum 30. Juni ausgearbeitet und mindestens vom 1. November bis 31. März ausgeführt wird. Ziel des Plans ist die Versorgung der am stärksten benachteiligten Personen, wenn die klimatischen Bedingungen besonders hart sind. Der Plan betrifft allerdings in erster Linie die städtischen Relais sociaux und bezieht sich auf Städte mit mindestens 50.000 Einwohnern. Städte von dieser Größenordnung gibt es bekanntlich nicht in Ostbelgien, trotzdem gibt es auf vielen Ebenen Maßnahmen zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit und Altersarmut.

Bevor ich zu diesen Maßnahmen komme, möchte ich Sie kurz auf den sogenannten Armuts-monitor auf dem Bürgerinformationsportal Ostbelgienlive verweisen. Er misst die Armutssituation in der Deutschsprachigen Gemeinschaft anhand von ausgewählten Indikatoren, die da wären:

  • Empfänger des Eingliederungseinkommens und der gleichgestellten Sozialhilfe
  • Sozialkredite
  • Kredite an Privatpersonen
  • kollektive Schuldenregelung
  • medianes Nettoeinkommen
  • Arbeitslosenrate
  • Budgetzähler
  • Nutznießer der Lebensmittelhilfe des Roten Kreuzes
  • erhöhte Kostenerstattung der Krankenkasse
  • Minderjährige in einem Haushalt ohne Arbeitseinkünfte
  • Einkommensgarantie für betagte Personen
  • Beihilfe zur Unterstützung von betagten Personen

Grundsätzlich können bedürftige Personen auf das Unterstützungsangebot der ÖSHZ zu-rückgreifen. Die ÖSHZ werden von der Regierung strukturell finanziell unterstützt durch Sozialhilfedotationen und Sonderdotationen z.B. zur Bekämpfung der Energiearmut. Zu den Angeboten der ÖSHZ gehören:

  • Information über das bestehende Angebot an Dienstleistungen im Sozial- und Gesundheitsbereich;
  • Beratung und Begleitung;
  • soziale Betreuung;
  • finanzielle Hilfen (Eingliederungseinkommen und/oder gleichgestellte Sozialhilfe, Mietbeihilfen, Beteiligung an Gesundheits- oder Energiekosten, …);
  • Budgetbegleitung / Kontenverwaltung;
  • Schuldnerberatung;
  • soziale und berufliche Eingliederung;
  • Hilfe bei der Wohnungssuche;
  • Hilfe bei der Arbeitssuche oder der beruflichen (Wieder-)Eingliederung;
  • materielle Hilfen (Hausnotruf, Mahlzeitendienst, …);
  • Dienste und Einrichtungen in eigener Trägerschaft (Seniorenheim, Aufnahmestruktur für Asylbewerber, …);
  • gegebenenfalls Weitervermittlung an andere Dienste.


Die ostbelgischen ÖSHZ sind auch erster Ansprechpartner bei Obdach- oder Wohnungslosigkeit. Sie bestätigen die Notlage und stellen eine Notaufnahmewohnung zur Verfügung. Die Untergebrachten bekommen gleichzeitig eine Betreuung angeboten. Diese soll ihnen helfen, sich in einem angemessenen Zeitraum aus der misslichen Lage zu befreien. Ist die Notlage vorbei, wird die Notaufnahmewohnung verlassen.

In seinem 2022 erstellten Sonderbericht zur Altersarmut betont der Wirtschafts- und Sozialrat der Deutschsprachigen Gemeinschaft, dass die soziale Armut in Ostbelgien eine größere Rolle spielt als die finanzielle Armut. Deshalb bezuschusst die Regierung – trotz Sparmaßnahmen – neben den ÖSHZ weiterhin strukturell Angebote, die Altersarmut und Vereinsamung vorbeugen. Beispielhaft möchte ich einige Angebote nennen:

  • Die VoG SOS-Hilfe setzt sich dafür ein, dass bedürftige Menschen bezahlbare Unterstützung im Lebensalltag erfahren können. Die Dienstleistungen der SOS-Hilfe konzentrieren sich auf die Verbesserung der häuslichen Situation von Menschen mit niedrigem Einkommen. Die Nutznießer bezahlen diese Dienstleistung abhängig von ihrer finanziellen Situation.
  • Auch die Sozialen Treffpunkte richten ein besonderes Augenmerk auf Menschen, die von sozialer Ausgrenzung betroffen sind und nur bedingt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Sie bieten sozio-kulturelle, kreative und/oder handwerkliche Aktivitäten an oder laden zum Zusammenkommen ein. Einige Aktivitäten haben explizit als Zielgruppe Senioren, um das Miteinander zu fördern und Einsamkeit vorzubeugen.
  • Die geschulten und vertrauenswürdigen Mitarbeiter der Telefonhilfe VoG stehen den Hilfesuchenden zur Seite; sie nehmen die Bedürfnisse der Ratsuchenden ernst und hören zu.

Auch informieren sie über bestehende Beratungs- und Hilfseinrichtungen und leiten die Anrufer – wenn sie dies wünschen – an Facheinrichtungen oder Dienste weiter.

Kommen wir nun zu den Wohn- und Pflegezentren für Senioren. Deren Preisgestaltung beinhaltet zwei Elemente:

  • Eine Finanzierung durch den Beitrag des Bewohners:

Mit diesem Bewohnerpreis werden die sogenannten „Hotelkosten“ finanziert. Sie beinhalten die Hausmeisterkosten, das Essen, die Heizungskosten, die Raumpflege usw. Eine Bewohnerpreiserhöhung muss im Ministerium beantragt werden.

  • Eine Finanzierung durch die Deutschsprachige Gemeinschaft mittels Tagespauschalen. Die bewohnerbezogenen und personalbezogenen Zuschüsse der DG decken die Kosten, die durch die dekretal und vertraglich festgelegten Aufgaben verursacht werden.

Neben den bewohner- und personalbezogenen Zuschüssen gibt es weitere Zuschüsse für die WPZS. So gewährt die DG eine finanzielle Unterstützung für Mobilitätshilfen und bezuschusst Ausstattungen. Der Ausstattungszuschuss deckt bezuschussbare Höchstkosten von 4.000 Euro pro Platz und ist indexierbar. Diese Pauschale ist während 20 Jahren abrufbar und dient der Finanzierung beweglicher Güter, die für die Nutzung der Immobile oder der Infrastruktur unentbehrlich sind. Die Ausstattungen sind zu 60% bezuschussbar.
Außerdem trägt die Regierung die Gesamtkosten der Ausbildung der Alltagsbegleiter.

Diese finanziellen Initiativen der Regierung tragen dazu bei, dass die Kosten für die Senioren in einem „annehmbaren“ Rahmen bleiben. Beispielsweise im benachbarten deutschen Ausland ist es durchaus üblich, dass ein Bewohner mehr als 1.000 bis 2.000 Euro pro Platz mehr bezahlt in einem Seniorenheim als in der DG. Als Anlaufstelle für Senioren, die finanzielle Hilfe benötigen, gibt es Möglichkeiten auf Unterstützung durch die ÖSHZ. Auch kann, wie Sie wissen, in bestimmten Fällen das Pflegegeld für Senioren in Anspruch genommen werden.

Das Pflegegeld für Senioren leistet mit seinen Basis- und Sozialzuschlägen einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung von Kosten bei Entstehen von Unterstützungsbedarf, zumal das Pflegegeld nicht zweckgebunden ist.

Zum Schluss komme ich nochmal auf die Altersarmut im Verbund mit dem Wohnen zu sprechen.

Die Eigentumslandschaft in Ostbelgien sagt, dass die meisten Personen im Alter, in Eigentum leben und nicht in einem Mietverhältnis stehen. Viele der Eigentumswohnungen sind allerdings zu groß für Einzelpersonen oder Paare.
Anhand der allgemeinen demographischen Entwicklung und auch den Nachfragen auf dem Mietmarkt, sind daher kleinere Wohnungen die meist gefragten. Im Rahmen der Wohnungen, die der öffentliche Wohnungsbau zur Verfügung stellt, muss diese Realität vermehrt berücksichtigt werden.

Bei den gemieteten Wohnungen sieht das Abänderungsdekret vor, dass Senioren einen Vor-rang bei der Wohnungsvergabe der ÖWOB-Wohnungen eingeräumt werden soll.

Jeder Bürger kann zudem – ungeachtet des Alters – Energieprämien in Anspruch nehmen, um die im Winter anstehenden Energiekosten niedriger zu halten.

Sie sehen, auch wenn es in Ostbelgien keinen Grand Plan Froid gibt, so finden sich hier auf zahlreichen Ebenen Präventions- und Unterstützungsmaßnahmen, um die Obdachlosigkeit zu bekämpfen und insbesondere Senioren vor Altersarmut zu bewahren.

Die DG ist zudem in verschiedensten gemeinschaftsübergreifenden Gremien vertreten, in denen beispielsweise das Thema Chancengerechtigkeit regelmäßig besprochen wird.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.